Hallo Timo!
Leider hatte ich die letzten Tage nicht die Muße, mal etwas mehr zu schreiben, daher erst jetzt.
Hab mir auch gerade mal dein Video angesehen. Die Drehzahl ist meiner Ansicht nach bei dir sogar zu gering. Dabei kommen Winkel von +/-70° aus der Horizontalen zustande, zu steil. Es sollten eher +/- 30...45° sein.
Ich hab mir auch gerade weiter oben die Bilder vom gehonten Motor angesehen.
Hier ein Ausschnitt mit Markierungen, auf die ich im Text eingehe:
Am OT kann man den "Zwickelverschleiß" als umlaufende, helle Linie "1" erkennen. Diese ist, wie du auch schreibst, auch fühlbar. Das ist die Stelle, die unter Höchstdruckbedingungen dicht halten muss, und dort ist der Honschliff wichtig. Dort war er mit Sicherheit nicht mehr erkennbar, wie du es angegeben hast (keine Riefen, Schliff erkennbar).
Apropos Riefen: Doch, die gibt es auch! Erkennbar als dunkle Fläche "2" im Bereich OT in Kurbelwellenrichtung. Normalerweise sind Reiber vor allem um 90° dazu versetzt erkennbar, weil durch das schräg angreifenden Pleuel der Kolben vor Erreichen des OT an die Wirbelkammerseite, danach an die Auslassseite gedrückt wird, die Querbewegung dabei erzeugt den Zwickelverschleiß. In deinem Fall ist die Ursache ja das außermittige Auftreffen des Kolbens auf das Auslassventil, das den Kolben gegen die Zylinderwand schlägt, daher kommt die ungewöhnliche Position.
Also müsstest du doch mindestens so lange honen, bis im Bereich des OT diese vorhandenen Marken einigermaßen eingeebnet sind, oder halt bohren lassen.
Bohren wird dann aber auf das nächste Übermaß gemacht, womit auch andere Kolben fällig wären. Daher ist die "Pfuscherlösung" (nicht negativ gemeint, dazu unten noch mehr!), die Wand mittels Honen wiederherzustellen. Ovalität verschwindet damit nicht, aber die ist ja auch im Rahmen, wenn man deinen Messungen vertraut.
Wichtig ist dann natürlich die Kontrolle, ob die Kolbenringe vom Stoßspiel her noch passen. Auch da gibt es eine Pfuscherlösung, Übermaßringe einzukürzen, falls größere Ringe erforderlich wären. Dabei muss man dann darauf achten, dass an den "guten" Stellen das Stoßspiel von minimal 0.3mm nicht unterschritten wird, sonst können die Ringe später bei hoher Temperatur klemmen und zum Kolbenfresser führen.
Du hast zum Honen Motoröl genommen und mit Diesel nachgeschmiert, es wurde auch WD40 genannt und erwähnt, dass spezielles Honöl eine Viskosität zwischen Motoröl und Diesel hat. Bedeutet, dass du mit Motoröl am langsamsten, mit Honöl mittelschnell und mit Diesel oder WD40 am schnellsten Material abträgst. Ich halte für Handhonung mit dem Elektroschrauber Diesel für am besten geeignet, gerade, wenn man, wie in deinem Fall, nicht nur kratzen, sondern tatsächlich auch etwas Material abtragen muss.
Ich weiß, dass das auf Bildern immer etwas anders aussieht als man vor Ort es wahrnimmt, aber meiner Ansicht nach hast du da zu wenig gemacht. Die "paar Kratzer" "3" bringen nichts und sind auch recht steil, siehe oben.
Noch mal zum Pfuschen: Es wurde ja mehrfach erwähnt, dass ein sicher vorhersehbares Ergebnis nur mit Profimethoden zu erzielen ist: Stimmt!
Daher werden Firmen immer professionell vorgehen, da die Vor- und Nacharbeiten, wenn hinterher was nicht stimmt, in keinem Verhältnis zum Aufwand des eigentlichen Honens stehen und als Garantieleistung zu erbringen wären.
Aber wenn man sich aber selbst einen Motor herrichtet, keinen Zeitdruck hat, vielleicht sogar ein bisschen praktische Erfahrungen sammeln möchte und vor allem nötige Nacharbeiten ohne teure Werkstatt selbst ausführen kann, dann ist das für mich ein legitimer Weg, Geld zu sparen und Spaß zu haben. Natürlich muss das jeder für sich selbst entscheiden.
Anbei noch ein Bildchen, wie das meiner Ansicht nach dann aussehen sollte. Der Grat ist fast weggearbeitet, sodass er gerade noch punktuell erkennbar, aber nicht mehr fühlbar ist und ebenfalls Honspuren trägt:
Gruß,
Tiemo